Lebensberichte und Familienchroniken

Gottfried F.

Von Zoppot nach Australien - in vielen Schritten

18.03.2009

 

 

Brot - deutsches Brot!

Heute kamen wir, Rainer und ich, beim Skypen zufällig auf "unser täglich Brot" zu sprechen. Der Anstoß eigentlich kam von Hans, oder genauer, von dem, was Hans über Sabine, Onkel Heinzes Tochter, nach seinem Besuch bei Selbiger, berichtet hat.

Hier also will ich die Geschichte von dem besten Brot der Welt einblenden, soweit ich der selben Brote kennen zu lernen eine Chance hatte.

Es war in den frühen Jahren unserer Kreyenbrücker Zeit in der Kaserne, Ende der 40-er Jahre. Wir waren alle noch mausearm und ausgehungert. Onkel Horst hatte uns mit Kartoffeln eingedeckt. Onkel Heinz Albert war noch am Leben, und er war es, der es uns möglich machte, dieses wunderbare Brot kennen und lieben zu lernen.

Auf seinem Motorrad, das ihm am Ende das Leben kostete, fuhr er im Auftrage der Regierung zu den verschiedenen Bauernhöfen, um dort zu tun, was er zu tun hatte.

Nun, diese friesischen Bauern wussten noch, wie zu leben war, und dazu gehörte ihr selbst gebackenes, schwarzes Bauernbrot. Es wurde nur einmal im Monat gebacken, glaube ich, und nur für den eigenen Hausgebrauch. Onkel Heinz Albert jedoch war ein gern gelittener Besuch bei den Bauern, und sie bekundeten dies, indem sie ihm ihr seltenes Brot zukommen ließen. Der gute Onkel teilte es anschließend wohl mit der ganzen Verwandtschaft. Jedenfalls bedachte er uns damit. Nun kennt ihr die Herkunft der Geschichte, das Brot aber noch nicht.

Hier kommt es aus dem Ofen meiner unvergesslichen Erinnerung.

Wir nannten es "Klumpatsch", denn es war ungefähr 60 cm lang und 15cm x 15cm im Gefiert. Riesige Schnitten. Dazu kam, dass es schwarz und schwer war, mit ganzen und halben groben Körnern durchwachsen, und so frisch und feucht, dass es bei seiner Ankunft so noch nicht gegessen werden konnte. Die Regel befahl, dass es in Tücher gewickelt, wenigsten eine Woche lang unterm Bett eingelagert werden musste, bevor es möglich wurde, es schneiden und genießen zu können. Oh ja!! Es war mit großer Kraft und Schwierigkeit zu schneiden, und kaum ein Messer war lang und stark genug, das zu bewältigen. Wie alle Bauern, so brauchten auch wir eine besondere Schneidemaschine, die Selbiges möglich machte. 

Diese war ein bisschen wie ein riesiger Zigarrenabschneider. Ein langes, säbelähnliches Blatt mit einem Griff an einem Ende und einem Bolzen am anderen, wie die Wurstschneidemaschine beim Metzger. Wie gesagt, das Brot musste schon etwas gereift und abgelagert sein, damit man es der Französischen Revolution nachmachen und Scheibe bei Scheibe guillotinieren konnte. Auch konnten die Scheiben nicht sehr dünn geschnitten werden. So eine Stulle war schon eine Wucht, von wunderbarer Menge und einem Geschmack, der den Maßstab für "Gutes Brot" in meinem Munde, Magen und Gehirn für alle Zeiten als den "ALLLER, ALLERBESTEN" eingewurzelt hat. Nie wieder habe ich solch Vollkommenheit gekostet.

Als ich nach Australien kam, im Jahre 1968, da gab es hier so etwas ganz und gar nicht. Nur das läppische Weißbrot der Amerikaner und anderer Wimps. Für lange Zeit war das die beinahe einzige Enttäuschung hier für mich. Als ich dann mit der Oper herumreiste und auch in Melbourne gastierte, wurde mir durch Zufall bekannt, dass am Flugplatz ein Bäcker buk, und zwar eine Art Schwarzbrot. Es war eine weite Reise für mich vom Theater zum Flugplatz, doch ich scheute sie nicht. Ich fand das sogenannte "Schinkenbrot".

Es ist wirklich ein deutschähnliches Schwarzbrot, das in jenen fernen Tagen sonst nirgendwo erhältlich und gänzlich unbekannt war. Doch es machte mein Leben wieder lebenswert.

Glücklich kann ich berichten, dass dieses Brot jetzt sogar im Supermarkt erhältlich ist. Nicht in jedem allerdings und noch immer pirsche ich es an wie ein geübter Schwarzbrotjäger.

Wer sich längerfristig im Ausland aufhält, lernt, auf manche gewohnte Annehmlichkeit zu verzichten, auf manches jedoch höchst ungern. Dazu gehört für einen Deutschen das Brot. Denn im Vergleich zur deutschen Brotkulturlandschaft mit seinen zahllosen Roggen- und Sauerteigvarianten gibt's in den meisten Ländern und Kontinenten nur traurige Weizenpampe.

Gambia zweite Hälfte der 80-er Jahre: kein Brot. Deswegen bekamen die Besucher regelmäßig den Auftrag, Pumpernickel mitzubringen. Sein Vorteil: Kompakt und damit gut zu transportieren, lange haltbar.

Fortaleza, Brasilien, 90-er Jahre: Kein Brot. Dann hörten wir von einem deutschen Bäcker in Belo Horizonte, wenige Kilometer entfernt, circa 2.500, dort gäbe es Sauerteigbrot - telefonisch bestellt, per Post erhalten, circa doppelt so teuer wie in Deutschland ...

Plötzlich gab es Brot in einer benachbarten Bäckerei, importiert von einer deutschen Bäckerei in Porto Alegre, der südlichsten brasilianischen Großstadt, ca. 5.500 km entfernt ... nach ein paar Monaten versiegte die Quelle wieder ...

Aber da hatten meine brasilianischen Bäcker in Santa Catarina inzwischen von einem deutschen Bäcker gelernt, wie man Sauerteigbrot macht - Onkel Erich Knoop, einst Bäcker in Danzig auf dem Englischen Damm und nach dem Krieg in Kreyenbrück, ward's gedankt. Von da ab gab's kein Brotproblem mehr. Während jeder Heimreise in den brasilianischen Nordosten war der Koffer mit Brot gefüllt.

Sri Lanka, erste Hälfte dieses Jahrzehnts: Kein Brot. Immer nur, wenn ich mit einem Koffer voll vom Bäcker in Deutschland auftauchte. Aber da meine Einsätze sich immer auf drei bis vier Wochen beschränkten, war dieser Mangel überlebbar.

Senegal: Das berühmte französische Stangenbrot - frisch aus der Brotbude kommt es als Kaugummi zu Hause an. Ein paar Mal gab's beim Libanesen Pumpernickel ... aber von einer Stetigkeit des Produktsortiments halten auch die libanesischen Händler wenig. Im Stadtzentrum gibt es eine Bäckerei mit einem riesigen runden Graubrot - das müsste man wohl auch erst einmal eine Woche unters Bett legen. Unschmierbar, es zerbröselt. Aber immerhin. Und dann gibt's nicht weit entfernt eine Bäckerei mit einer Konditorei, von der sich mancher deutsche Bäcker eine Scheibe abschneiden könnte. Dort gibt's auch Sauerteig - als Stangenbrot in verschiedenen Variationen sowie ein Mischbrot. - Es lässt sich leben!

Ruanda: Der deutsche Metzger macht auch Brot, Schwarzbrot, so ähnlich, wie Gottfrieds "Klumpatsch", aber verglichen mit diesem, mikroskopisch klein ... bei einer holländischen Bäckerei in Uganda mit Filialen in Kigali gibt es Graubrot / Mischbrot, das man sich aber immer gleich schneiden lassen muss, sonst zerbröselt es ... und gelegentlich ist wieder Pumpernickel erhältlich ...

Es wird hier als "Helga Schinkenbrot" gehandelt. "Helga", als deutsche Maid mit blonden Zöpfen abgebildet, der dann auch als deftige Bäckersfrau in der Werbung über den TV Bildschirm zu kullern erlaubt ist. Macht ja nichts, solange das Brot, das einzige hier, mir das Leben möglich macht.

Abschließend muss ich jedoch gestehen, wohl kein Brot in der Welt wird es je möglich machen, die damaligen "Klumpatsche", und so auch Onkel Heinz Albert, aus meinem liebevollen Erinnern auszuradieren. Stalin habe ich schon lange vergessen, doch die "Klumpatsche" nie ... ich schmecke sie noch!! Und das, selbst wo ich doch, wie auch Irma Ella, meine Geschmacks- und Geruchsnerven habe einbüssen müssen auf dieser Einbahnstrasse meines Leben.

Bin ich auch aus der Kirche ausgetreten, wie berichtet, so teile ich doch einen Teil selbiger "Gebete": Unser täglich Schwarzbrot gib uns heute, und das bitte, immerdar!!!

Ich geh’ jetzt und beiße ein Brot in den Hintern. Mit Genuss!!
 

"Helgas Schinkenbrot" ... taucht in etlichen australischen Reiseberichten auf ...