Küchwerder - Wiśniówka

Die Paradies-Wiens Höfe in Küchwerder

10/2022
 

Johannes Jacob Wiens wird am 11.10.1871 in Poppau geboren (Rg Steegen 239/1871, men. Kb Tiegenhagen Okt-1/1871). Seine Eltern sind Jacob Wiens (* Poppau 1827, † Platenhof 1903), Hfb in Poppau, und Anna Thiessen (* Klein Wickenau 1840, † Platenhof 1917). Beider Familien lassen sich drei bzw. fünf Generationen zurückverfolgen.

Siehe u. a. Thiessen, Hermann: Martin Thiehsen und seine Nachfahren, 1737 - 1977, Burgdorf 1977

Johannes Jacob Wiens heiratet am 10.07.1894 Charlotte Lina Müller (Rg men. Tiegenhagen S229/1894, Standesamt Gottswalde StA 8/1894). Johannes Jacob wird als Oekonom bezeichnet, d. h., er hat eine landwirtschaftliche Ausbildung, jedoch zu diesem Zeitpunkt keinen eigenen Hof.

Charlotte Lina Müller wird am 02.06.1871 in Klein Zünder geboren (Rg Groß Zünder 14/1871) als fünftes Kind (von 15) des Hfb Martin Ferdinand Müller (* Neukirch 1836, † KlZ 1891) und Auguste Caroline Glodde (* Steegnerwerder 1847, † KlZ 1927). Der Müller-Urgroßvater war in den 1780-er Jahren Los- & Kuchenbäcker in Königsberg, der 3-fache Glodde-Urgroßvater 1772 Mitnachbar auf der Großen Jacob Buden Kampe nördlich von Zeyer, Groß Schipper, Weide Verwalter des polnischen Königs und 30 J. Kirchenvorsteher in Zeyer.

Zu den Müller in Klein Zünder siehe Hof KlZ 16, zu den Glodde in Zeyer siehe hier.

Wie haben der Mennonit Johannes Jacob Wiens aus Poppau und die Protestantin Charlotte Lina Müller aus KlZ zusammengefunden? Für viele Heiraten gibt es Erklärungen, hier habe ich keine.

Johannes Jacob Wiens und Charlotte Lina Müller bekommen vier Kinder:

  1. Käthe Wiens, * Poppau 31.05.1895, † Montevideo, Uruguay, 29.10.1963 - mehr zu ihr siehe unten

  2. Martha Wiens, * Poppau 05.09.1896 (StA Steegen 94/1896)

  3. Heinrich Herbert Wiens, * Poppau 18.07.1900 (StA Steegen 72/1900)
    † Küchwerder 26.03.1927 - der Alte Herr in seinem Lebensbericht: "Vetter Heinrich, der wohl die Veranlagung zu einem guten Ingenieur hatte, mußte als einziger Sohn Bauer werden. Er erschoß sich." - Ich lasse das mal so stehen.

  4. Anni Lina Wiens, * Poppau 15.06.1905 (StA Steegen 55/1905), † Ontario, Canada 23.12.2003. Sie heiratet am 17.07.1923 Walter Wiebe, * Fürstenwerder 1899, † Mischke 1945, 9 Kinder, von denen mindestens drei nach 1945 nach Canada ziehen.

    Über Anni Lina Wiens und Walter Wiebe findet sich einiges in
    Enss, Helmut: Marienau - Ein Werderdorf zwischen Weichsel und Nogat
    Geschichte und Geschichten, 1998


    Der Alte Herr schreibt über seine Kusine Anni Lina Wiens:
    "Der Karren war das Lieblingsgefährt meiner Kusine Anni Wiens. Sie war ein temperamentvolles Mädel, deren lebensfrohe Natur schlecht in den ernsten, strengen Mennonitenhaushalt zu passen schien. – Ich erinnere mich noch, daß sie meinen Vater anblitzte: "Traust Du Dich, den Karren mit dem ... Heidemann zu fahren?" Er traute sich, und dann ging es los wie ein Gewitter, mit dem ungefederten Wagen über nicht befestigte, doch von der Sonne getrocknete Wege! Aber er schmiß nicht um. Viel später sah ich sie wieder, da war sie still und ernst und ganz schlank und trug ein dunkles Kleid. Ich hätte sie nie wiedererkannt, auch die Augen blitzten nicht mehr. Sie hatte auf einen großen Hof geheiratet, wie es sich für die Tochter von einem großen Hof gehörte."

Anni Lina in den 1990-er Jahren

Telefonbuch 1914, Brunau:
Wiensz, Johs, Gutsbes., Küchwerder - 4

Telefonbuch 1921, Brunau:
Wiensz, Joh, Küchwerder - 4

Adressbuch Danzig Land 1927/28, Küchwerder:
Wienß, Heinrich, Landwirt
Wienß, Johannes, Gutsbesitzer, Tel. Brunau 4

Der Alte Herr:

"Ein Zufall ist es wohl, daß fast alle meine Onkel und Tanten im Werder nicht in geschlossenen Dörfern wohnten. Nur Bindemanns, aber ganz am Anfang eines langen Straßendorfes, und Kuluckes am äußersten Rand des Haufendorfes Gottswalde. Alle anderen Höfe lagen in Streudörfern oder weit ab von anderen Gehöften, wie Müllers in Klein Zünder und Wiens in Küchwerder. Nach Küchwerder fuhren wir mit dem Dampfer. Mit dem schwarzen Oberan oder der hellblauen Brunhilde. Abfahrt von der langen Brücke, ein Stück hinter dem Krantor. Die Fahrt dauerte etliche Stunden, drei Schleusen kosteten Zeit, und auf der schmalen Elbinger Weichsel mußte langsam gefahren werden, um die Böschungen nicht zu beschädigen. Doch war diese Fahrtstrecke die Schönste. Hier war die Weichsel noch ein durch und durch natürlicher Wasserlauf mit Schilf und Seerosen an den Rändern. Niedrige Deiche hielten den Blick auf die Landschaft frei. Und hier gab es nicht nur Kopfweiden, sondern Reihen hoher, ganz schlanker Pappeln, die sich im Wasser spiegelten ...

Der dritte Hof, auf dem ich in den Ferien längere Zeit war, hieß das Paradies. Er gehörte Onkel Johannes Wiens, Küchwerder, und da der Name Wiens in der Gegend so häufig war, hieß er Paradies Wiens. Es war in der Tat ein besonders schöner und großer Hof, noch an der Elbinger Weichsel gelegen. Ich war dort nur zusammen mit meinen Eltern und den 9 und 7 Jahre älteren Schwestern Dittchen und Irmchen. Doch obwohl dort alles so schön war und trotz des "Spielzimmers" – einem Erkerzimmer voller Spielsachen in den wandhohen Schränken und einer Tür, die auf den Bogengang der Hofeinfahrt führte – ich habe mich in dem Haus nie wohl gefühlt. Die Atmosphäre war irgendwie kalt. Onkel Johannes war ein fast zierlich zu nennender Typ, sehr sensibel, sehr lärmempfindlich, vermutlich duldete er unseren Besuch nur seiner Frau Tante Lina, der ältesten Schwester meines Vaters, zuliebe. So war ich immer froh, wenn wir zum Baden an die Elbinger Weichsel gingen. Dort gab es eine schöne Badestelle und meist blieben wir, meine Schwestern und ich, dort etliche Stunden am Tag, badeten, paßten dabei auf, daß wir nicht in die Schlingen der Seerosen kamen, und winkten, wenn der Oberan oder die Brunhilde vorbeifuhren. Später bin ich nie mehr hingekommen. Vetter Heinrich, der wohl die Veranlagung zu einem guten Ingenieur hatte, mußte als einziger Sohn Bauer werden. Er erschoß sich. Und den Schwiegersohn Gerhard Willi Dück mochten wir nicht leiden, ... [die folgenden Worte lasse ich mal weg, MueGlo]. Dagegen habe ich bei Wanderungen durch das Werder mehrfach Onkel Johannes und Tante Lina besucht, die als Rentiers ein Häuschen in Tiegenort bei Tiegenhof hatten und hatte dort zu beiden einen guten menschlichen Kontakt. Wir mochten uns."

Mit "Häuschen in Tiegenort bei Tiegenhof" ist gemeint Platenhof, wo es offensichtlich eine mennonitische Altensiedlung gab, wo Charlotte Lina Müller am 26.11.1942 starb und Johannes Jakob Wiens am 28.06.1943.

Die Bewunderung des Spielzimmers deutet an, dass der Alte Herr, geboren 1915, im Spielzimmeralter war und deswegen der Aufenthalt auf dem Hof wohl vor ca. 1928 stattgefunden hat.

Und 2012 finden wir auch die vermutliche Badestelle, über die der Alte Herr schreibt. Ein Weg führt direkt zu dieser Stelle.

Sprich: Vor 1914 erwirbt Johannes Jacob Wiens das Gut Küchwerder und zieht dorthin mit seiner Familie um. Da bleiben offene Fragen:

  • Was ist das für ein Gut?

  • Wie ist seine Geschichte?

  • Wie finanziert ein Oekonom aus Poppau zu jener Zeit den Kauf eines Gutes?

  • Zum Gut gehört der Hof Paradies-Wiens Ost?

  • Von wem wurde das Gut gekauft?

Eigentlich bin ich momentan an etlichen anderen Thema dran. Aber das Küchwerder-Gut kann ich doch wohl mal kurz dazwischen schieben ... und dann wird das Ganze doch sukzessive wieder zu einer spannenden längeren Geschichte ...

Vorab folgende Erkenntnis: Küchwerder ist ein Gut der Stadt Danzig. Seit wann und bis wann ist ungeklärt. Dieses - wie andere Güter - verpachtet die Stadt Danzig. Die Pächter werden in den Kb "Besitzer" genannt, sie sind jedoch nicht "Eigentümer". Pachtverhältnisse können vererbt werden. Ob das bis in das 20. Jahrhundert gilt ist unklar. Aber damit könnte erklärt werden, wie Oekonom Johannes Jacob Wiens das Gut Küchwerder "erwirbt": Er pachtet es.