Die Entwicklung ab 1950
Die Parteisekretäre wurden geschult, um
die Bevölkerung auf die geplante Zwangsumstellung von Privatunternehmen
in Staatsbetriebe vorzubereiten. Bei den Landwirten ohne Lust und Liebe
zum Beruf gelang das sehr schnell. Ich könnte auch sagen sofort, zumal
die von den deutschen Bauern vorgefundenen Arbeitsgeräte ihre Aufgaben
nicht mehr erfüllten - es fehlte an Ersatzteilen. Wesentlich schwerer
hatten es die Kommunisten bei den echten polnischen Landwirten, die es
erstaunlicherweise bereits in wenigen Jahren geschafft hatten, sich von
ihren Kollegen im bescheidenen Maße finanziell abzuheben. Es dauerte
lange, diese Bauern zur Übergabe ihrer Betriebe mürbe zu machen. Die
Kommunisten scheuten sich auch nicht, große Plakate mit farbigen
Männergesichtern anzufertigen. Einmal war die Abbildung mit grünen
Kopfhaaren, ein Schnurbart geteilt, linke Hälfte grün, rechte Seite rot.
Am Plakatrand konnte man in polnischer Sprache in großen Buchstaben
lesen „Ich bin ein KULAK". Das hieß so viel wie, ich bin ein Raubritter.
Von der Verstaatlichung blieb niemand
verschont, weder im Handel noch in der Fischerei.
Veränderung der deutschen Namen
Nachdem die Kommunisten den erlogenen Satz
veröffentlichten „Es gibt keine Deutschen mehr in Polen“ hatten sie
plötzlich Stress mit den „versteckten“ Deutschstämmigen.
1952 und 1953 wurden die noch in
Nickelswalde wohnenden Deutschen meist in Gruppen von drei bis vier
Personen abends gegen 21 Uhr nach Schönbaum zur Polizei vorgeladen. Die
späte Tageszeit diente dazu, vorab eine Gefügigkeit vorzubereiten,
Einschüchterung. Es war bekannt, dass man entweder am späten Abend oder
in der Nacht während der Razzien von angetrunkenen Polizisten ohne Grund
verhaftet werden konnte. Aber hier trat plötzlich ein äußerst
freundlicher Offizier der staatlichen Behörde auf. Als Zeuge war immer
ein Zivilist zugegen, ein Parteisekretär.
Wir wurden einzeln aufgerufen. Mit
überschwänglicher Freundlichkeit bat uns der Uniformierte, Platz zu
nehmen. Man ging schnell zur Tagesordnung über. Ich wurde informiert,
dass es den polnischen Behörden schwer fallen würde, meinen Namen zu
lesen. Der Vorname Heinz würde zu Verwechslungen führen. Ob ich denn
zustimmen würde, natürlich rein freiwillig, meinen Vornamen Heinz auf
Henryk zu ändern. Ich erklärte, dass ich weiterhin Heinz heißen wolle.
Nach meiner Antwort durfte ich den Raum verlassen. Als nächster wurde
mein Vater aufgerufen. Ich konnte ihm noch mitteilen, worum es dort
gehe. Mein Vater hieß Bruno Ernst. Er setzte sich auf den Stuhl. Es
erfolgte vom Polizisten die Mitteilung, dass man Bruno nicht lesen könne
und ob mein Vater mit dem Vornamen Bronislaw einverstanden wäre. Darauf
erwiderte mein Vater mit hocherfreuter Stimme, dass ihm der Name Bruno
nie gefallen hätte, Bronislaw würde ihm viel mehr zusagen. (Mein Vater
hatte ja in russischer Kriegsgefangenschaft Gelegenheit gehabt, sich
einiges an Taktiken anzueignen.)
Nach drei Tagen erhielten wir alle, die
dort gewesen waren, von der Behörde eine schriftliche Benachrichtigung.
Mein Vorname sei ab sofort Henryk und meine früheren Vornamen
dürften nicht mehr erwähnt werden. Auch meinem Vater wurde sein neuer
Vorname mitgeteilt: Bruno Ernest - was für ein verlogenes Theater!
Die Veränderung ab 1953
Die Situation der Deutschstämmigen
veränderte sich sehr zügig im positiven Sinne, nachdem sich die
politischen Beziehungen zur DDR gebessert hatten. Auf Antrag wurde es
gestattet, Familienangehörige in der DDR zu besuchen. Aber auch in der
BRD durften Verwandte besucht werden. Und umgekehrt war dies
ebenso möglich. Diese Entwicklung war ein großes Entgegenkommen der damaligen
Machthaber. Auch erhielten wir im Auftrage der Polnischen Post durch den
Postboten offiziell mitgeteilt, es könne bei Interesse ab Mitte 1953
eine Zeitung in deutscher Sprache abonniert werden – die monatlich
erscheinende
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„Arbeiterstimme“. Gedruckt wurde diese ab
1951 in Schlesien. Ich erinnere mich noch an einen Witz: Als es mit dem
Kinderkriegen bei Soraya nicht nach Wusch verlief schlug der Journalist
vor, sie solle es mal mit einem Russen versuchen …. Etwas Humor kam
schon auf. Auch illustrierte Zeitschriften aus Ostberlin konnte man in
Gdansk / Danzig frei erwerben. Zudem wurden deutsche Filme gezeigt mit
Willy Birgel, Hans Albers, unter anderem auch der Film „08/15“ mit Hans
Joachim Fuchsberger. (Wikipedia:
08/15)
Der Beruf
Mein Vater hatte lange seine Hand über
mich gehalten. Nun stand der Beruf an. Die Fischerei entsprach nicht
meinen Vorstellungen, ich hatte andere Berufsvorstellungen,
möglicherweise auch das Zeug dazu. Aber wie so oft im Leben kommt
es anders als gewünscht. Ich fügte mich und wurde Fischer, ohne es zu
wollen.
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Zur "Arbeiterstimme" sowie den Umgang u.a. mit der deutschen Minderheit
in den 50-er Jahren siehe Zbigniew Kurcz: Nationale Minderheiten im
Gegenwärtigen Polen, No. 01/00, Frankfurter Institut für
Transformationsstudien, Seite 4 |