Über das Überleben ohne
Smutje ...
Trotz aller
Versuche, wir sind ohne Smutje unterwegs.
Marten hatte
gleich nach seiner Interessensbekundung an der Bootsfahrt einen
Speiseplan entwickelt: Mit Händen und Füßen ausgerechnet, wie viele
Tage wir auf dem Boot weilen, die Summe durch vier Köche geteilt ergibt:
Jeder ist drei Mal mit dem Kochen dran; ich bin befreit, da ich ja den
Trip so schön organisiert habe. Ein genialer Plan! Der mir zudem sehr
entgegenkommt ... Er hat nur einen Haken: Er funktioniert nicht, kann
nicht funktionieren ... weil niemand an Jugendherbergs- und
Bundeswehrküchendienst Interesse hat. Der Plan landet deswegen auch
still im Nirwana ...
Zuerst muss
festgestellt werden, wer überhaupt wann was essen will. Alle ein
kräftiges Frühstück, das ist klar. Mittagessen: Da wird es kompliziert:
Ralf, Siggi und ich brauchen das gemeinhin nicht. Marten schiebt sich
gerne etwas zwischen die Kiemen. Und wenn Wulf nicht täglich zwischen
12:43 Uhr und 12:47 Uhr etwas vor sich auf dem Tisch stehen hat, wird er
- wörtliches Zitat - "unleidlich". Gott, bewahre ... Ergebnis: Mittags
organisiert sich jeder nach seiner Façon. Abends ist dann Kochen
angesagt.
Die gute
Nachricht zuerst: Keiner verhungert, alle werden satt. Die schlechte
Nachricht: (Mir fällt keine ein.)
Die Praxis:
Marten führt uns seine "Kochkünste" vor - siehe unten. Immer wenn
Grillen möglich ist, und das ist häufig, schwingen sich Wulf und Siggi
zu unbestrittenen Höchstleistungen auf. Und Ralf und ich sind rein
zufällig immer mit dem Kochen dran, wenn wir "außer Haus" Essen gehen ...
Da wir ja keine
kulinarische Reise unternehmen wollen, schauen wir uns nach Eintopf in
Dosen um, den wir mit Würstchen und Gewürzen anreichern wollen. In
Supermärkten in Danzig und Elbing finden wir auch mühseligst welche,
eine einzige Marke, bauchige Dosen, gut versteckt, kaum zu finden ganz
unten in den Regalen, ganz gut genießbar ... Doseneintopf scheint
in Polen kein Renner zu sein. Eintopf kann man auch selber machen
... sehr sympathisch.
Marten am
ersten Abend: "Heute koche ich! Königsberger Klopse." - Bei
uns zu Hause
heißen sie "Saure Klopse". Es wird verkündet, dass nicht alle
Ingredienzien aufzutreiben gewesen wären, es gehe aber auch so.
Marten werkelt
eine ganze Zeit. Als die Mägen zu knurren beginnen, erschallt ein
stolzes "Essen ist fertig!"
Es kommen auf
den Tisch: Kartoffeln, tennisballgroße graue Klopse (zu groß zum
Photographieren), eine weißliche Soße. "Wo sind denn die Kapern?"
"Kapern? Da kommen keine Kapern rein!" Aber natürlich kommen da Kapern
rein, Saure Klopse ohne Kapern ... ". "Nein, bei uns kommen da nie
Kapern rein!" "Aber ... ". Also Saure Klopse ohne Kapern. Wir kämpfen
schweigend mit den Tennisbällen und mit der weißlichen Soße, die nach
allem möglichen schmeckt, nur nicht nach süß-sauer ... Bat jemand um
einen Nachschlag? Ich weiß es nicht mehr, habe ich wohl verdrängt.
Mir fallen zwei
Geschichten ein. Muddern Erna ließ sich von ihrer Schwiegermutter
Ohmchen zeigen, wie man Saure Klopse macht. Als der erste Versuch
auf dem Teller liegt, stellt Ehemann Horst fest "Bei meiner Mutter
schmecken die aber anders!" Die rheinische Frohnatur: "Dann geh' doch zu
deiner Mutter essen!" Danach gab es nie wieder Reklamationen ... und die
Sauren Klopse waren herrlich.
In Joinville,
im deutschstämmigen Süden Brasiliens, bestelle ich im Restaurant Pato
Alemã / Deutsche Ente. Kartoffeln, Rotkohl. Das Vieh ist knochentrocken,
die Füllung ebenso, kaum mit dem Messer durchschneidbar ... welch'
Enttäuschung. Allmählich wird klar, da haben die deutschen Auswanderer
das Rezept "Deutsche Ente" mitgebracht, irgendwann fehlen gewisse
Ingredienzien, also macht man die Ente ohne diese, und im Laufe des
Jahrhunderts geht die Kenntnis über das ursprüngliche Rezept verloren. -
Ich schätze, so ist das mit den Kapern bei Martens Familie auch passiert ...
denn Ohmchen machte die Sauren Klopse unter Garantie mit Kapern. Aber
vielleicht mochten die martenschen Geschmacksbanausen ja keine Kapern
... und meinen deswegen heute, dass da keine hineinkämen ...
|