Lebensberichte & Familienchroniken
Johann Gottlieb Kling
1809 Schmerblock - 1901 Groß Zünder
Lebensbeschreibung : Als Hofbesitzer in
Groß Zünder
geschrieben in Groß Zünder, 1896 |
aktulisiert 11/2018


|
Dies ist er erste Teil einer
Trilogie von Lebensbeschreibungen aus dem Kreis der Familien Kling und
Behrendt in Groß Zünder in der Danziger Niederung. Alle Teile sind von
einem Mitglied der erweiterten Behrendt-Steinke-Familie hier zur
Veröffentlichung bereitgestellt worden.
Der Lebensbericht stammt aus
dem Nachlass des Hugo Edmund Behrendt (1872 - 1959), dem Enkel von
Johann Gottlieb Kling, bearbeitet für die Familie durch die
Ur-ur-Enkelin Margarete R., geb. Behrendt. |
|
Eine Lebensbeschreibung des
Johann Gottlieb Kling wurde 1988 bereits von Dr. Hilde Simmenroth
veröffentlicht, einer, wie es heißt, Enkelin der ältesten Tochter des
Edmund Ludwig Behrendt und der Klara Wilhelmine Kling - die älteste
Tochter war die 1871 in Bärenwinkel / Lichtfelde geborene Maria Louise
Behrendt. Diese Dr. Hilde Simmenroth ist im Kreis der Kinder des letzten
Behrendt-Hofbesitzers bislang nicht bekannt.
Lt. Dr. Hilde Simmenroth existieren mehrere Abschriften des Lebensberichtes in der Familie. Das
Erstaunen war jetzt jedoch gewaltig, als die nähere Betrachtung ergab,
dass die Geschichten identisch sind, sie inhaltlich und sprachlich
jedoch erhebliche Unterschiede aufweisen: So gut wie kein Satz stimmt
überein; Ereignisse sind unterschiedlich detailliert dargestellt; die Simmenroth-Version enthält offensichtlich Erläuterungen für Leser, die
mit der Region und ihrer Geschichte weniger vertraut sind; sie enthält
auch sprachliche Brüche. Der Eindruck: Hier wurde entweder in
erstaunlicher Form "aufgehübscht" oder diese Version radikal vereinfacht ... beides
wäre wohl kein glücklicher Umgang mit einer Quelle.
|
Simmenroth, Hilde: Lebensbeschreibung des
Rentiers Johann Gottlieb Kling zu Groß Zünder, Vom Jahre 1807 - 1896,
in: Altpreußische Geschlechterkunde, Hrsg. VFFOW, Hamburg 1988, S. 117 - 127 |
Lebensbeschreibung
des Johann Gottlieb Kling
Die Erlebnisse meiner Eltern
aus den Kriegsjahren von 1807 bis 1814 und bis dahin, das ich eine
selbständige Auffassung hatte, sind mir von meinen Eltern erzählt
worden.
Mein Vater mit Namen Johann
Gottlieb Kling, geboren 1783, gestorben 1836.
Meine Mutter mit Namen
Constanzia Renata Kling, geborene Krüger, geboren 1788, gestorben 1870.
Meine Grosseltern von
väterlicher, wie von mütterlicher Seite, wohnten im Dorf Groß-Zünder.
Mein Vater verheiratete sich
1807 mit der Tochter des Hofbesitzers Krüger.
Es waren wirre Kriegsjahre
und es war eine sehr schlechte Zeit. Die Eltern konnten nicht ihren
eigenen Hausstand gründen. Der Vater wohnte bei seinen Eltern, die
Mutter bei ihren Eltern. Dazu kam, dass der Vater meines Vaters starb.
Das war für die ganze Familie ein großer Verlust, eine große Trauer.
Vaters Eltern hatten zwei
Kinder. Mutters Eltern hatten neun Kinder und lebten in schlechten
Verhältnissen.
Meine Eltern entschlossen
sich, ihren eigenen Hausstand zu gründen. Sie pachteten im Dorf
Schönrohr im Felde, in der Nähe des Schusterkruges, einen Altenhof mit
einigen Morgen Land und zogen dahin. In diesem Altenhof bin ich 1809 den
9. Dezember geboren.
Die Stadt Danzig war von den
Russen belagert. Damit die Franzosen, die in der Stadt waren, keine
Lebensmittel aus dem Unterwerder (süd-östlich von Danzig) bekommen
sollten, stachen die Russen beim Schusterkrug den Weichseldamm durch und
liessen das ganze Unterwerder unter Wasser. Da wurde auch das Grundstück
meiner Eltern unter Wasser gesetzt. Unter diesen Umständen konnten meine
Eltern hier nicht bleiben, mußten das Grundstück verlassen, sich eine
andere Unterkunft suchen. Im Januar 1810 zogen sie nach Groß-Zünder ins
Feld. Das Grundstück, das hinter der Kornmühle liegt, soll |
Genealogische
Daten:
- der Vater Johann Gottlieb Kling ist am 03.09.1786 in Osterwick
geboren. Seine Eltern: George Kling, * ca. 1756, † Zugdam 07.05.1808, Nachbar in GrZ, KlZ und Zugdam,
Schulz, & Adelgunde Concordia Reiss, * Zugdam 04.12.1763,
† 29.06.1843. Sie heiraten im Oktober 1784 an einem bislang unbekannten
Ort - die Braut ist hochschwanger. George Kling ist von 1785 bis 1789
Pächter in Osterwick, 1791 in Stüblauer Hof, 1794 wieder in Osterwick
und ab ca. 1797 Nachbar des
Hofes GrZ 05 in Groß Zünder. Den Namen Kling gibt es in GrZ / KlZ bereits im 17.
Jahrhundert; ohne die Heiratsdaten lässt sich jedoch keine Zuordnung
herstellen.- die Mutter
Constanzia Renata Krüger, * ca. 1788, † Letzkau 27.01.1870. Die Eltern sind
George David Krüger (* ca. 1748,
Ort unbekannt, † 29.02.1840 in Kohling bei einer verwitweten Tochter,
begraben in Rambeltsch) und Renata Elisabeth Schumacher (*GrZ 24.07.1765, †
GrZ 23.06.1834).
Die Schumacher lassen sich weitere fünf Generationen in GrZ / KlZ und
Käsemark bis ca. 1640 zurückverfolgen. Sie stellen im 18. Jahrhundert
Schulzen und Kirchenvorsteher.
Zur Heirat von David Krüger und Renata Elisabeth Schumacher 1786 heißt
es im KB GrZ: "Renate Elisabeth
Schumacher des Johann Schumacher Nachbar alhier älteste Tochter ist mit David
Krüger, ... Gesell zusammengegeben worden in der Stadt
... " Fünf Wochen später
wird in GrZ eine Tochter geboren. Danach siedelt die Familie
woanders - die Tochter Constanzia Renata ist 1788 nicht in GrZ
geboren. Auch bei der Landesaufnahme 1793 ist David Krüger nicht
aufgeführt. Spuren gibt es in GrZ erst wieder zwischen 1800 und 1808
durch vier getaufte Kinder. Da lt. Johann Gottlieb Kling die "in
schlechten Verhältnissen" lebenden Großeltern neun Kinder hatten, sind
mindestens drei zwischen 1787 und 1799 andernorts geboren.
Johann Gottlieb Kling und Constanzia
Renata Krüger heiraten nicht 1807 sondern Ende 1805 in GrZ - der Eintrag
ist sehr schwer zu entziffern. |

Hesse-Karte von 1803:
Eine Reihe von Krügen ist eingezeichnet, leider nicht der Schuster-Krug
|
unbewohnt
gewesen sein. Gegenwärtig wohnt der Hofbesitzer Herr Knop dort. Ob meine
Eltern den Hof gepachtet oder umsonst darin gewohnt haben, weiß ich
nicht. Soll damals eine Hufe Land dabei gewesen sein. |
Carl Knoop, verheiratet
mit Emilie Pilz, mindestens drei Kinder, wovon eines 1889 in GrZ
geboren ist; in zweiter Ehe verheiratet mit Alice Burow (?), zwei Kinder. Er
erwirbt den Hof vor 1889 und verkauft ihn vermutlich vor 1914. Ob er
etwas mit den Rostauer Knoops zu tun hat ist noch nicht geklärt. |

Geognostisch-agronomische
Karte von 1903 |
Auch hier sollten meine
Eltern nicht bleiben. Im Februar kamen die Russen, plünderten die
Eltern. Der Vater wollte es nicht zulassen. Er wurde von den Russen
derart misshandelt, daß er das Haus verlassen musste, um im Felde Schutz
zu suchen. Da nahm die Mutter ihre drei Kinder und flüchtete ins Dorf
der Eltern. Das älteste Kind war im dritten Jahr, das zweite im zweiten
Jahr, ich war 2 Monate alt. Es war tiefer Schnee. Die Kinder konnten in
dem tiefen Schnee nicht |
|
gehen. So mußte die Mutter immer ein Kind ein
Ende vorwärts tragen, auf den Schnee setzen, das andere nachholen. Mich
hatte die Mutter mit einem Tuch an
den Leib gebunden. So ging der Transport ins Dorf zu den Eltern. Die
beiden Mädchen hatten sich so sehr erkältet, daß sie nach kurzer Zeit starben.
Auch ich soll sehr krank gewesen sein. |
Bislang findet sich im KB
GrZ nur die Geburt der Tochter Carolina Elisabeth von 1808, die 1813
stirbt. - Johann Gottlieb Kling wird als "Pächter" ausgewiesen. Ein
zweite ältere Schwester fehlt; ebenso zwei Sterbeeinträge 1809 / 1810.
So stellt sich die Frage, ob die Geschichte in den Bereich der
"Familiensagen" gehört... |
In der Zwischenzeit hatte
sich Vaters Mutter, die Witwe war, mit einem Mann namens Prohl aus
Käsemark wieder verheiratet.
Die Eltern von Vaters Seite
mussten meine Eltern unterhalten, da die Eltern von Mutters Seite neun
Kinder hatten und in schlechten Verhältnissen waren.
|
Cornelius Prohl, * 1779
in Schönrohr, Mitnachbar in GrZ & KlZ & Zugdam, Schulz, ∞
Adelgunde Concordia Reiss, verwitwete Kling. |
Mein Vater hatte noch eine
Großmutter. Sie war verwitwet und wohnte in Zugdam, besaß da ein
Grundstück mit sechs Hufen Land. Sie wirtschaftete mit ihren beiden
Söhnen, die Krüppel waren.
Nachdem Vaters Großmutter
starb, wurden meine Eltern auf diesen Hof geschickt. Sie blieben einige
Jahre dort und zeugten eine Tochter und einen Sohn.
Im Jahre 1814 wurden die
Zeiten besser. Die Stadt Danzig wurde für Handel und Wandel geöffnet.
|
Witwe Reiss |
Vaters Eltern besorgten sich Geld aus Danzig und regulierten die
Erbschaft. Das bewirkte eine Wendung in der Familie.
|
Adelgunde Concordia Reiss,
verwitwete Kling & Cornelius Prohl |
Vaters
Schwester übernahm
käuflich das Grundstück in Groß-Zünder, heiratete einen jungen Mann
namens Scheffler aus der Nehrung.
Der Vater kaufte sich 1815
im Frühjahr ein Grundstück mit 1 Hufe Land, 18 Morgen, im Dorf Landau.
Sie zogen gleich dahin. Da kam für die Eltern eine bessere Zeit, war
doch Friede im Lande.
Sie hatten ihr eigenes
Grundstück, wirtschafteten mit Fleiß und Lust, und hatten ihr leidliches
Auskommen.
Will einiges von den
damaligen Preisen erwähnen: Eine Milchkuh kostete 45 bis 50 Mark, ein
fettes Schwein 27 bis 30 Mark, eine magere Gans vom Händler 8
Silbergroschen, Roggen 9 bis 10, Gerste 7, Hafer 5 Silbergroschen der
Scheffel. Was gebraucht wurde, war billig.
In der Niederung wurde
damals hauptsächlich Milchwirtschaft betrieben wurde. Die Butter kostete
auf dem Danziger Markt 20 Pfennige das Pfund. Wenn es im Sommer Reste
gab, ging man auf den Fischmarkt. Da waren Händler, die hatten kalte
Keller. So bekamen wir für das Pfund weiche Butter 15 Pfennige.
|
Sara Kling, * ca.
1795, nicht in GrZ, † 1831 an der Cholera, ∞ 1816 mit Carl
Gottlieb Scheffler, * ca. 1776, † 1831 an der Cholera, "aus der Nehrung, Bohnsacker Weide", Mitnachbar in GrZ - so ganz "jung" war dieser nicht
mehr bei der Heirat. |
Die Schwester meiner Mutter
war mit einem Mann namens Klatt verheiratet. Beide starben und
hinterliessen einen Sohn.
Meine Eltern mußten ihn zur
Erziehung aufnehmen. Er war ein Jahr älter als ich. Nachdem Klatt und
ich herangewachsen waren, mußten wir, soweit es unsere Kräfte erlaubten,
tüchtig arbeiten.
Nach unserer Konfirmation
wurde Klatt von den Eltern entlassen und nahm eine Stelle als Dienstbote
an.
|
Die Schwester ist die 1786
in GrZ geborene Caroline Elisabeth Krüger, die 1808 in Gottswalde
den von dort stammenden Nachbarn Peter Gregorius Klatt heiratet. |
Ich entschloss mich, das
Müllerhandwerk zu lernen und fand eine Lehrstelle beim Müllermeister
Ahmann in Gemlitz. Mein Vater brachte mich dahin. Der Meister hatte die
Windkornmühle gepachtet und acht Morgen Land. Männliche Dienstboten gab
es nicht und so war ich mehr in der Landwirtschaft tätig. In der
Kornmühle durfte ich nur mithelfen, wenn es viel Arbeit gab. Dann
besorgte der Meister die Wirtschaft. Das gefiel meinem Vater nicht. Er
besprach das mit seinem Schwager Boschke, der Müllermeister in der
Grossen Kornmühle in Danzig war. Boschke wusste, dass Kollege Wulf
seinen Lehrbuben wegen Diebstahl entlassen musste. Er besorgte mir die
Lehrstelle, und die Zeit in Gemlitz wurde mir angerechnet. Mein Vater
schickte einen Boten mit der Nachricht, ich solle nach Hause kommen und
meine Sachen mitbringen. Der Meister Ahmann wusste, dass mein Vater mit
der Lehrstelle nicht zufrieden war und ließ mich gehen. So trat ich bei
Meister Wulf in die zweite Lehrstelle.
|

Karte
Koppin von 1811 |


|
|