Lebensberichte & Familienchroniken
Johann Gottlieb Kling
1809 Schmerblock - 1901 Groß Zünder
Lebensbeschreibung : Als Hofbesitzer in
Groß Zünder
geschrieben in Groß Zünder, 1896 |
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Die große Getreidemühle in
Danzig gehört dem Magistrat in Danzig und hat 18 Mahlgänge, die von dem
Wasser der neuen Radaune getrieben werden. Die 18 Mahlgänge hatten
damals vier Meister gepachtet. Meister Kemp hatte auf Lebzeit gepachtet,
die anderen auf Zeit. Im Verlauf eines Jahres, ich war in der Lehre bei
Meister Wulf, war die Pachtzeit abgelaufen und konnte nicht verlängert
werden. Der Sohn von Meister Kemp war Werkführer und wollte mich für die
restliche Lehrzeit haben. Meister Wulf hatte derweil am sogenannten
Brentauer Wasser in Legstries eine Kornmühle gepachtet. Ich sagte zu
Meister Kemp: "Dort ist eine schöne Gegend. Hier bekomme ich nicht Sonne
noch Mond zu sehen. Ich gehe nach Legstries." So ging ich nach Legstries
zu Meister Wulf in die dritte Lehrstelle. So, wie ich es mir vorgestellt
hatte, war es nicht. Am Brentauer Wasser sind mehrere Mühlen. Legstries
war die unterste und letzte Mühle. Im Sommer bei langer Dürre und im
Winter bei anhaltendem Frost haben die Mühlen wenig Wasser. Mein
Meister, der 5 Kinder hatte, schaffte sich noch ein Fuhrwerkgeschäft an.
Zwei Pferde mit Wagen und einen Knecht brauchte der Meister, um das
Getreide von den Bäckern aus Danzig zu holen und das Mehl
zurückzubringen. Später brauchte er noch ein weiteres Fuhrwerk. Der
Meister ließ den Müllergesellen gehen, nahm einen zweiten Lehrburschen,
und ich nahm die Stelle des Gesellen ein. Bald beendete ich meine
Lehrzeit, wurde in Danzig auf dem Müllergewerk als Müllergeselle
freigesprochen. Ich blieb noch einige Zeit als Geselle da.
Von den Strapazen war mein
Körper geschwächt. Ich wurde krank und landete im Krankenhaus in Danzig.
Nach 4 Wochen wollte ich nach Hause. Der Arzt hatte nichts dagegen, Die
frische Luft wird ihnen gut tun, meinte er. Im Dezember 1829 ging ich zu
meinen Eltern nach Landau und wurde bald gesund. Mit 20 Jahren konnte
ich gut in der Landwirtschaft mithelfen. Doch Gott hatte es für die
Zukunft anders beschlossen.
Im August 1831 kam die
Cholera. Es starben viele Menschen in der Stadt und auf dem Lande. Es
war die größte Sterblichkeit, die ich in meinem Leben erlebt habe. Die
Cholerakirchhöfe sind noch vorhanden. So starb auch der Schwager des
Vaters, der Hofbesitzer Scheffler in Groß-Zünder. Seine Frau, Vaters
Schwester war schwer krank. Nachdem der Vater die Nachricht erhielt,
mußte er sich um seine Schwester kümmern. Wir fuhren gemeinsam nach
Groß-Zünder. Vaters Schwager war schon beerdigt. Auch vom Gesinde waren
einige an Cholera gestorben. Die noch da waren, wollten nicht arbeiten.
Erst als die Sterblichkeit aufhörte, konnte ein Teil der Ernte
eingebracht werden. Es blieb viel Arbeit liegen. Der Vater wurde in
Groß-Zünder gebraucht. Er nahm den 2. Sohn, 17 Jahre alt, zu sich und
ich ging zurück nach Landau zu Mutter. Wir besorgten die Wirtschaft.
Vaters Schwester starb Ende
November 1831. Sie hatten keine Kinder, und so fiel der Nachlass dem
Vater und Verwandten des Schwagers zu.
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Wikipedia: Große Mühle (Danzig)
Wkimedia: Great Mill in Gdańsk
Große Mühle in Danzig,
2010
Koppin 1811: Legstriess
mit Mühlen
Begräbnisse in GrZ:
- 1830 : 23
- 1831 : 42
- 1832 : 27
Der Schwager und Vaters
Schwester: Carl Gottlieb Scheffler & Sara Kling - siehe oben |
In den letzten Jahren
war das Grundstück sehr heruntergekommen und
verschuldet. Die Miterben nahmen nur die wertvollen Sachen des Schwagers
und quittierten vor Gericht ihren Verzicht aufs Erbe.
Der Vater übernahm das
Grundstück mit allem, was vorhanden war. Im Dezember 1831 zog die ganze
Familie nach Groß-Zünder. Ich blieb mit einer altersschwachen
Frauenperson in Landau, besorgte und verwaltete die Landwirtschaft. Das
Inventar, lebendes wie totes, nahm der Vater mit. 2 Pferde und eine
Milchkuh behielt ich. Das Futter, Heu und Stroh und die anderen Sachen
wurden im Winter nach Groß-Zünder geholt. Im Frühjahr 1832 verkaufte der
Vater dieses Grundstück. Ich hatte mich im Gasthaus einquartiert und
wartete auf den neuen Besitzer. Danach ging ich nach Groß-Zünder zu
meiner Familie.
Wie einst Jacob von seinem
Vater gesegnet die Eltern verließ, um nach Mesopotamien zu seinem Onkel
Laban zu gehen, wollte auch ich gehen. Mir ist es in Groß-Zünder ähnlich
ergangen, wie Jacob in Mesopotamien. Ich kam hierher und hatte nur
diesen Stab. „Herr, ich bin es nicht wert, aller Barmherzigkeit und
Treue, die Du an Deinem Knecht getan hast.“
Hier in Groß-Zünder waren
wir drei große Söhne und der Vater, der noch rüstig war. Ich sagte zum
Vater: „Wir sind hier in Groß-Zünder zu viele Herren in der Wirtschaft.
Ich werde mein gelerntes Handwerk wieder ausüben.“ Der Vater war damit
einverstanden.
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Einfügung
"Weichseldurchbruch 1829" wohl von Margarete R., geb. Behrendt |
Es ergab sich, dass der
Müllermeister Schefler in Klein-Zünder einen Gesellen brauchte. Wir
wurden uns schnell einig, und ich betrieb die Müllerei mit gutem Erfolg.
Im Herbst 1833 erbte die
Frau Schefler von ihren Verwandten aus der Nehrung Geld. Der Meister
kaufte ein Grundstück in Gottswalde im Felde. Er verkaufte die Kornmühle
in Klein-Zünder und zog um. Ich blieb, bis der neue Besitzer da war und
ging nach Hause.
Im Januar 1834 kaufte der
Vater ein Grundstück in Letzkau mit 6 Hufen Land für 12 000 Mark. Es
wurde 1 Jahr nicht bewirtschaftet, war verwahrlost, die Gebäude ruiniert
und ohne Inventar. Vater zog bald mit der Familie nach Letzkau und ließ
mich mit der zweitältesten Schwester zurück. Vom lebenden und toten
Inventar nahm der Vater den größten und besten Teil nach Letzkau mit. Er
ließ mir das notdürftige Inventar in Groß-Zünder zurück, damit ich die
Wirtschaft in Groß-Zünder fortführen konnte.
2 Jahre hat der Vater in
Letzkau gewohnt und gewirtschaftet, das Land einigermaßen kultiviert,
die Gebäude repariert. Kurzum, das Grundstück in einen wirtschaftlichen
Zustand gebracht.
Er starb am 8. Februar 1836
an Nervenfieber, mit 53 Jahren. Das war für die Mutter und die 10 Kinder
ein sehr großer und schwerer Verlust, eine große Trauer.
Meine Schwester und ich, die
wir auf Rechnung der Eltern 2 Jahre in Groß-Zünder den Hof
bewirtschaftet hatten, setzten unsere Arbeit fort. Im Frühjahr 1837
teilte die Mutter Vaters Erbe auf. Es bekam jeder 600 Mark.
Die Mutter entschloss sich,
wieder zu heiraten. Bevor die Mutter das tat, besorgte ich mir durch
Vermittlung bei guten Freunden Geld und kaufte das Grundstück. Ich
zahlte der Mutter auf die Kaufsumme 900 Mark an. Ich blieb schuldig: 1.
Hypothek 7 400 Mark, 2. Hypothek 7 800 Mark, 3. Hypothek 6 000 Mark. Das
Inventar war notdürftig, zum Teil schlecht. Ich borgte mir von einem
guten Freund 1 500 Mark, ergänzte das Inventar, damit ich einigermaßen
wirtschaften konnte. Das Grundstück hatte 3 Hufen, 26 Morgen Land in
Groß-Zünder und 20 Morgen in Klein-Zünder.
Die Mutter heiratete im
August 1837 zum zweiten Mal, den Ökonom Carl Schultz aus Trutenau, ohne
Vermögen. Die Mutter ließ ihrem Mann ein Legat von 1 200 Mark
gerichtlich aufsetzen mit Gütergemeinschaft. Die Mutter war 49 Jahre
alt, Carl Schultz 28 Jahre alt.
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Carl Gottlieb Schefler (im
KB GrZ "Scheffler"), * ca. 1790, Sohn des Johann Absalon Schefler, Mitnachbar und Mühlenbesitzer in
Nickelswalde (= Knoop-Hof in
Nickelswalde) & Regina Renata Woyke (Woike). Der Sage nach
übernachtete Königin Luise von Preußen auf der Flucht vor Napoleons
Truppen im Februar 1807 in der Mühle.
Der Schefler-Hof in
Nickelswalde 1894 während des Baus des Weichseldurchstichs.
Quelle: Architekturmuseum, Berlin
2015 ließen die neuen Eigentümer das Hofgebäude abtragen ...
Unten: Ein Schild auf der Innenseite der Vorlaube: "Johann Absalon
Schefler". Er wird in der Landesaufnahme von 1793 als Hubenwirt,
Kornmüller und Schulz aufgeführt.
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Im selben Jahr, Ende
November 1837, heiratete ich die jüngste Tochter der Witwe Spode aus
Ladekopp, Kreis Marienburg. Da ich keine anständigen Pferde noch Wagen
besaß, machte ich die Reise zu meiner Braut stets zu Fuß. Am
Hochzeitstag ging ich mit meiner Braut ohne Begleitung zur Kirche. Der
Hof, auf dem die Mutter meiner Frau wohnte, war ein Feldhof. In der
Kirche war der Prediger, Organist und Kirchendiener eine Person. Wir
wurden in der stillen Kirche getraut. Danach gab es Kaffee bei der
Mutter mit den Geschwistern. Ein Bruder fuhr uns nach Schöneberg an die
Weichsel. Der Fährmann setzte uns rüber. Von dort aus gingen wir zur
Mutter. Nach dem Abendbrot ließ der Stiefvater anspannen und schickte er
uns in unsere Behausung. Das war die Hochzeitsreise.
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Concordia Spode, *
ca. 1807 in Ladekopp, † 1839 in GrZ; die Eltern sind Johann
Paul Spode, Hfb in Ladekopperfelde, & Barbara Großschild |
Hesse
1803 : Die "Hochzeitsreise" des Johann Gottlieb Kling & der Concordia
Spode im November 1837 |
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